Tourenbericht Allalinhorn via Hohlaubgrat, 7./8. August 2010

 

Saas Almagell Zermeiggern – dies sollte also der Ausgangspunkt meiner ersten 4000er Besteigung werden.

 

Die elfköpfige Gruppe unter der souveränen Tourenleitung von Larry Swanson hatte sich zum Ziel gesetzt, das Allalinhorn über den Hohlaubgrat zu erklimmen.

Bereits in den ersten Minuten erhielt ich einen Vorgeschmack, was es hiess, innert 3,5 Stunden 1300 Höhenmeter zu überwinden. Schweisstreibend steil ging es gnadenlos an der prallen Sonne aufwärts.

 

Als Larry nach nur gerade 30 Minuten Wanderzeit drei Vermisste konstatierte, fragte ich mich, was uns wohl noch alles erwarten würde, wenn wir einen solchen Start zu verzeichnen hatten.

Schnellen Schrittes tauchte nach einigen Minuten plötzlich Meldeläufer Rolf auf, welcher über eine vermisste Uhr informierte. In dem Fall war der Grund der Verspätung klar: „SBG – SKA!“

Militärpflichtigen dürfte dieses etwas veraltete Sprichwort nicht ganz unbekannt sein: „Suchen bis gefunden, sonst kein Ausgang!“

Tatsächlich war die Gruppe weniger später wieder komplett – samt Uhr mit defektem Bändel – und wir setzten vorerst ungeschoren unseren Aufstieg fort.

 

Nach einer kurzen Rast erblickten wir bereits das Tagesziel. Stolz wie ein Bau der Habsburger schaute sie – etwas hochmütig und spöttisch, wie mir schien – auf uns herab – die Britannia Hütte.

 

Auf der sonnigen Terrasse angekommen, ruhten wir uns bei Kuchen, Kaffee und stahlblauem Himmel aus.

 

Vor dem Nachtessen mühten sich die etwas ungeübteren Hochtourengänger (sprich ich) mit dem Befestigen der Steigeisen ab. Auch das Anseilen wurde unter Larrys Anleitung nochmals akribisch trainiert. Warum welcher Knoten wann anzuwenden ist, wusste Larry in einer derart einleuchtenden Art zu erläutern, dass keine Fragen mehr offen blieben.

Die gemimte Bekanntschaft mit Gletscherspalten liess mich offensichtlich erbleichen, jedenfalls versicherte mir Larry prompt ganz ernsthaft (oder konnte ich da ein Schmunzeln auf seinem Gesicht entdecken?), dass die Wahrscheinlichkeit, in eine Gletscherspalte zu fallen, auf dieser Tour sehr gering sei.

Schon erhoffte ich mir, doch ein Auge zumachen zu können in der Nacht.

 

Dass dem nicht so war, merkte ich schnell. Nach dem 4-gängigen Nachtessen gingen alle elf Teilnehmer verdächtig bald ins Bett.

Dass aber ausgerechnet neben meinem rechten Ohr Wälder in der Grösse Mitteleuropas gesägt würden, damit hatte ich nicht gerechnet.

So kam es, dass der Wecker klingelte und ich vielleicht gerade mal 30 Minuten gedöst hatte. Beim Frühstück um 4 Uhr vernahm ich dann, dass ich mit diesem Problem nicht ganz alleine war.

 

Mit Stirnlampe bewaffnet und angeseilt wanderten wir bei erstaunlich milder Temperatur Richtung Hohlaubgletscher. Bald montierten wir zackig unsere Steigeisen und überquerten den Gletscher. „Möchte jemand noch etwas abziehen? Jetzt kommt nämlich der Aufstieg dem Hohlaubgrat entlang“ warnte uns Larry. Mutig zog ich nicht nur die Jacke sondern auch meine warme Kappe aus – was ich innerhalb weniger Minuten bitterlich bereute.

Ein eisiger Wind pfiff uns um die Ohren und nebst Schnee rasselte auch ein Helm an uns vorbei den Hang hinunter.

 

Die erste Pause war von einer solch bissigen Wetterlage gezeichnet, dass sie nur sehr kurz ausfiel. Der Himmel zeigte sich glühend bewölkt, einen Moment lang liess sich sogar die Sonne blicken, aber der Wind war unbarmherzig.

Trotzdem fühlte ich wieder etwas Wärme in mir (Jacke und Kappe sei Dank!) und der eingenommene Schokoriegel liess mich meinen, Berge versetzen zu können.

Dieses Hochgefühl hatte aber ein jähes Ende. In felsigerem Gebiet schrammten die Steigeisen des Vordermannes so nah an meiner Nase vorbei, dass mir ein ungewolltes Face-Lifting schwante.

 

Kurz vor dem Gipfel erwartete uns eine kleine Kletterpartie. Teilweise Stirne runzelnd konnten wir während der rund 1,5 stündigen Stauzeit vor dem Felsen interessante Stilstudien an anderen Seilschaften durchführen. Dass schlussendlich nur ein Handschuh und ein Wanderstock den steilen Abhang hinunterrutschten, erschien mir fast wie ein Wunder.

Völlig durchgefroren murkste ich mich dann auch irgendwie zum Standplatz hinauf und staunte nicht schlecht, als sich eine fremde Seilschaft an meinem Schraubkarabiner einhängte. Von meinen (zugegeben rudimentären) Klettererfahrungen her weiss ich, dass dies ein mittleres Schwerverbrechen ist und wies den etwas atemlos wirkenden Herrn darauf hin. Zum Dank kassierte ich einen Rüffel, aber immerhin hängte er seinen Karabiner um.

 

Nach dieser abenteuerlichen Abwechslung, die mit Graupel und weiterhin eisigem Wind verbunden war, kämpften wir uns die restlichen Meter zum Allalinhorn Gipfel hinauf und wurden doppelt belohnt. Nicht nur standen wir auf 4027 Metern über Meer, auch Petrus hatte Erbarmen mit uns und blies die Wolken weg, so dass wir die Aussicht für ein paar Minuten geniessen konnten. Der nicht nachlassende Wind drängte uns allerdings zu einem schnellen Abstieg über die einfache Route.

Bald konnten wir vom Restaurant Mittelallalin aus bei heisser Suppe einen grossen Teil unserer Route nochmals bestaunen. Träumte ich nur oder war da tatsächlich immer noch Stau vor dem Felsriegel?

 

Nach rund 2300 Höhenmetern in 24 Stunden war ich über die Erfindung der Metro Alpin äusserst dankbar, auch wenn man sich die Sitzgelegenheiten erdenken musste. In Saas Fee setzten wir uns glücklich und zufrieden ins Postauto und bestaunten nochmals die herrliche Saaser Bergwelt.

 

Zuhause angekommen nahm ich als erstes die Club – Nachrichten der Sektion Zofingen zur Hand. Welche Tour ist wohl die nächste? Fast befürchte ich, der Virus habe mich befallen…

 

PS.: Ein herzliches Dankeschön an Larry für die super gute Leitung und die abwechslungsreiche Tour!